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Babylonische Verwirrung
von Alfred Bekker
Erster Teil – Zweiter Teil – Dritter
Teil
Terranische Kolonie Babylon, Anfang 2058. Wenige Stunden vor dem
Angriff der Grakos.
Ty Gorris’ Schweber flog in gemäßigtem Tempo durch
die Nacht. Das Navigationssystem lenkte ihn sicher in Richtung eines
Gebietes, das unter dem Namen "Die Pioniere" bekannt war. An
ein Gebirge, daß sich Armstrong Mountains nannte, schloß sich
das Gagarin-Hochplateau an.
Das Licht der babylonischen Monde machte die Nacht auf diesem Planeten wesentlich
heller als auf der Erde. Der größte von ihnen hieß Serena,
war 200 000 km von seinem Planeten entfernt und wirkte wie eine riesige
Orange. Sekundus, der zweitgrößte Mond, glich einer hellen Lichtscheibe,
während Tertius, Quartus und Quintus kleinere, unregelmäßig
geformte Gesteinsbrocken waren, die von der Oberfläche Babylons aus kaum
mehr als Lichtpunkte waren. Lichtpunkte, deren Helligkeit und Größe
die von hellen Sternen nur geringfügig überstieg. Im Licht der Monde
schimmerten die zahllosen Ringpyramiden, mit denen die Oberfläche Babylons übersät
war. Bauwerke eines geheimnisvollen Volkes, das man die Mysterious nannte.
Aufgrund dieser Ringpyramiden hatte Ren Dhark seinerzeit dem Planeten den Namen
Babylon gegeben – erinnerten die gewaltigen Kegelbauten doch an den aus
der irdischen Mythologie bekannten Turmbau zu Babel.
40 Millionen Menschen lebten auf Babylon. Sie hatten es sich in den Ringpyramiden
der uralten Mysteriouszivilisation gemütlich gemacht.
Auf Babylon hätte es für die zehnfache menschliche Bevölkerungszahl
immer noch mehr als genug Wohnraum gegeben, so zahlreich waren die Bauwerke
der Geheimnisvollen. Und während die Erbauer dieser planetenumspannenden
Mischung aus Park- und Stadtlandschaft, als deren Wahrzeichen die gewaltige
Statue eines gesichtslosen goldenen Humanoiden galt, auf geheimnisvolle Weise
vor einem Jahrtausend verschwunden waren, hatte ihre Technik die Zeitalter überlebt.
Längst hatten sich die terranischen Kolonisten die technischen Errungenschaften
dieses geheimnisvollen Volkes zu Nutze gemacht. Die Menschen waren in vieler
Hinsicht sogar regelrecht abhängig von der Mysterioustechnologie geworden,
bis im letzten Herbst eine Art Hyperraumblitz den Großteil dieser Technik
in der gesamten Galaxis unbrauchbar gemacht hatte. Babylon war in dieser Hinsicht
keine Ausnahme gewesen.
Seitdem herrschten chaotische Zustände auf dem Kolonialplaneten. Die terranischen
Siedler waren im Moment jenes Hyperraumblitzes auf ein quasi vortechnisches
Niveau zurückgeworfen worden. Nur mühsam war es ihnen gelungen, sich
von diesem Schlag einigermaßen zu erholen.
Zwar wurde im Eiltempo versucht, M-Technik so weit es ging durch die herkömmliche
menschliche Technologie zu ersetzen, aber das war leichter gesagt als getan.
Eine Zeit kollektiver Anstrengungen, in die jemand, der vornehmlich von egoistischem
Profitdenken bewegt wurde, nicht so recht hineinzupassen schien.
Und genau das traf auf Ty Gorris zu.
Er hatte gute Beziehungen bis in höchste Kreise der planetaren Regierung
Babylons. Und nur diesem Umstand war es zweifellos zu verdanken, daß Gorris
in einer Zeit, in der jegliche Transportkapazitäten knapp waren, einen
Schweber zur Verfügung hatte.
Er flog einen Bogen und landete dann auf einem sechseckigen Platz, der von
insgesamt sechs Ringpyramiden umgeben wurde.
Bevor Ty Gorris den Schweber verließ, betätigte er das Vipho.
Auf dem kleinen Schirm erschien das stoppelbärtige Gesicht von John Telmon,
einem begnadeten Kybernetiker und Spezialisten für extraterrestrische
Technologien.
"Ich habe schon gedacht, du kommst gar nicht mehr wieder!" meinte Telmon
mit einem dünnen Lächeln.
"Sehr witzig. Ich wette, du hast die elektronischen Datenspuren meiner Navigation
die ganze Zeit über verfolgt!"
"Dazu hatte ich keine Zeit, Ty. Hattest du wenigstens Erfolg?"
"Wie man’s nimmt."
"Also war deine Mission ein Fehlschlag."
Gorris seufzte. Zusammen mit Telmon und einem weiteren Spezialisten namens
Mel Denninger war er damit beschäftigt, energetische Anomalien zu untersuchen,
deren Ursprung irgendwo im Bereich des Sechserkomplexes zu suchen waren. Die
planetare Regierung unterstützte das Projekt, auch wenn Gorris den Großteil
der Kosten aus eigener Tasche trug. Der Prospektor hoffte auf einen warmen
Geldsegen, wenn es ihm gelang, eine Möglichkeit zu finden, die Mysterioustechnologie
zu reaktivieren.
Darauf hatte er gesetzt.
Denninger und Telmon waren seine gleichberechtigten Teilhaber.
Allerdings reichten ihre Mittel nicht, um wirklich voranzukommen.
"Wir bekommen keine zusätzlichen Mittel von der Regierung", erklärte
Gorris. "Die dortigen Bürokraten geben unserem Projekt keine Chance."
"Und wie erklären die sich dann die energetischen Anomalien?" ereiferte
sich Telmon. Er fuhr sich mit einer hektisch wirkenden Bewegung über das
Gesicht und schüttelte den Kopf. "Ignoranten", setzte er noch
hinzu.
"Man ist der Meinung, daß die Anomalien auf die besondere geologische
Struktur hier in der Gegend zurückzuführen sind."
"Das ist doch Unsinn!"
"John, das wissen wir beide. Leider stehen wir mit dieser Meinung im Moment
ziemlich allein da. Wir kriegen keine Mittel und auch keine weitere technische
Unterstützung."
Telmon schüttelte den Kopf.
"Du weißt, was das bedeutet!"
"Sicher."
"Wir treten auf der Stelle."
"Ich kann’s nicht ändern."
"Wir brauchen leistungsfähigere Suchsysteme, sonst... was soll’s!"
"Wir sprechen nachher weiter."
"Okay."
Gorris unterbrach die Viphoverbindung und verließ den Schweber.
Er schlenderte über die glatte Oberfläche des sechseckigen Landefeldes.
Zumindest vermutete Gorris, daß es sich um ein Landefeld handelte. Sicher
konnte man da natürlich nicht sein. Etwa ein Jahrtausend lag das Verschwinden
der Mysterious zurück. Niemand wußte, was mit ihnen geschehen war.
Es mochte Indizien geben, die vielleicht darauf hinwiesen, daß es sich
um eine humanoide Lebensform handelte. Aber auch das war nichts weiter als
eine Vermutung. Wenn wir nur die Technologie dieser Geheimnisvollen besser
verstünden! ging es Gorris durch den Kopf. Auch in dieser Hinsicht
stand die Menschheit ganz am Anfang. Wir sind wie unwissende Affen, die
mit menschlicher High-Tech herumspielen, ohne auch nur einen blassen Schimmer
davon zu haben, wie sie funktioniert, dachte er. Nach dem Hyperraumblitz,
der die Galaxis heimgesucht hatte, hatte sich diese Tatsache bitter gerächt.
Gorris ging auf eine bestimmte Ringpyramide zu. Die war etwas größer
als ihre fünf ansonsten baugleichen Schwestern. Ein Gebäude von schlichter
Erhabenheit, das seit mehr als einem Jahrtausend an diesem Ort stand. Die Alterslosigkeit,
die die Mysteriousgebäude ausstrahlten, war erstaunlich.
Mammut – so hatten Gorris und seine beiden Partner die größte
der zu dem Sechseckkomplex gehörenden Ringpyramide für ihren internen
Sprachgebrauch getauft.
Im Erdgeschoß des "Mammuts" hatten sich die drei provisorisch
eingerichtet. Daß sie dazu die Räumlichkeiten des Erdgeschosses
gewählt hatten, war aus einem ganz praktischen Grund geschehen. Auf Grund
des Ausfalls sämtlicher Mysterioustechnik funktionierte keiner der Antigravschächte,
die ansonsten die unterschiedlichen Stockwerke miteinander verbanden.
Gorris passierte den Eingang des "Mammuts", der von John Telmon mit
ein paar technischen Tricks geöffnet worden war. Manchmal ließen
sich Elemente der Mysterioustechnik mit gezielten energetischen Impulsen reaktivieren.
Bei der Verschlußvorrichtung des Eingangsschotts hatte das glücklicherweise
funktioniert.
Gorris passierte einen langen, sich an mehreren Stellen verzweigenden Korridor
und erreichte schließlich die sogenannte Zentrale.
Welche Funktionen dieser großzügig in Form eines Sechsecks angelegte
Raum tatsächlich einst besessen hatte, hatten Gorris und seine Partner
bislang nicht mit letzter Sicherheit feststellen können. Aber auf Grund
der technischen Einrichtungen und der Größe lag eigentlich auf der
Hand, daß es sich um eine Art Kontrollraum handelte. Mit den sechs Konsolen,
die sich jeweils an den Eckpunkten der Zentrale befanden, wirkte dieser Raum
wie eine Art Spiegelbild der gesamten Anlage. Ein Zeichen dafür, daß die
Erbauer seine Bedeutung offenbar hervorheben wollten.
"Hallo, Ty!", wurde Gorris von John Telmon begrüßt.
Telmon unterdrückte ein Gähnen.
"Wo ist Mel?"
"Schläft. Du vergißt, daß wir hier Nacht haben."
"Gibt’s bei euch was Neues?"
Telmon deutete auf einige mit Magnethalterungen an der etwas größeren
Hauptkonsole angebrachten Module, die sämtlich terranischer Produktion
entstammten. Manche dieser Geräte hatte John Telmon selbst entwickelt.
Diese Ausrüstung stellte im Wesentlichen seinen Anteil an dem gemeinsamen
Unternehmen dar.
"Die schwachen Impulse, die wir bislang geortet haben, scheinen von einem
Punkt auszugehen, der sich etwa hundert Meter unter der Oberfläche befindet,
wenn man sich eine exakte, von der Hauptkonsole ausgehende Senkrechte in den
Boden vorstellt."
"Das bedeutet, daß die Anlage sich unterirdisch ein ganzes Stück
in die Tiefe erstreckt", schloß Gorris.
Er ließ sich in einen der Schalensitze sinken, die zur Einrichtung der
Mammut-Zentrale gehörten. Sein Gesicht wirkte nachdenklich. "Ich
habe so etwas schon vermutet", murmelte er dann. "Aber warum ist
es uns bisher nicht gelungen, den unterirdischen Teil der Anlage vernünftig
abzutasten?"
"Mel meint, daß das mit der Gesteinsschicht zusammenhängt, aus
der die ersten fünf Tiefenmeter unter der Anlage bestehen."
"Was ist mit der Analyse dieser Gesteinsschicht? Liegt die schon vor?"
"Mel ist dabei und arbeitet mit Hochdruck. Gerade in diesem Punkt hätten
wir dringend Unterstützung gebraucht."
Gorris zuckte die Achseln. "Tut mir leid", meinte er, "ich habe
mein Bestes versucht."
Sein Flug zur provisorischen Hauptstadt der Babylon-Siedler war ein kompletter
Reinfall gewesen.
"Die Prioritäten der planetaren Regierung sehen im Moment wohl etwas
anders aus", vermutete Telmon.
*
Am nächsten Morgen erwachte Gorris durch einen unangenehmen,
surrenden Ton. Erst nachdem dieser Ton sein an die Oberfläche tauchendes
Bewußtsein schon eine quälende Ewigkeit lang gefoltert hatte,
begriff er, daß es sich um das Signal seines Weckers handelte. Du
bist wieder zurück im Mammut! ging es ihm durch den Kopf. Flüchtige
Erinnerungen durchzuckten ihn. Erinnerungen an die fruchtlosen Gespräche
in der provisorischen Hauptstadt Babylons. Innerlich verfluchte er die
Ignoranz der Bürokraten.
Gorris stand auf, zog sich an und wusch sich. Frischwasseraggregate hatten
sie mit hierher gebracht und im Mammut installiert. Schließlich war ihnen
allen klargewesen, daß sie vermutlich einige Wochen, wenn nicht Monate
hier zubringen würden. Und für eine so lange Zeit wollte keiner von
ihnen auf die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse an Hygiene und Lebensqualität
verzichten.
Gorris hatte sich genau wie seine Partner einen der zahllosen Räume des
Mammuts hergerichtet. Provisorisch zwar, aber immerhin hatte er einen Bereich
für sich.
Wenig später traf Gorris in der Sechseck-Zentrale ein.
Mel Denninger und John Telmon waren schon auf den Beinen.
Auf einem mit einem Außensensor verbundenen Bildschirm hatte man einen
Blick ins Freie, denn Fenster gab es in der Zentrale des Mammuts nicht. Offenbar
hatten sie die Erbauer dieser Anlage nicht für nötig gehalten.
Gorris blickte kurz auf den Schirm. Der Schweber wurde von gleißendem
Sonnenlicht umschmeichelt.
Telmon reichte Gorris einen Becher mit heißem Kaffee.
"Ich habe das Modul etwas umprogrammiert", kommentierte er. "Probier
jetzt mal, ob das Gebräu eher zu genießen ist, als das, was uns das
Ding in den letzten Tagen so geliefert hat!"
Gorris grinste.
"Ich war ja gleich dafür, dieses Stück Schrott umzutauschen!"
"Unglücklicherweise hat der Hersteller seinen Sitz auf der Erde!"
"... und das einzige Raumschiff, daß es zur Zeit auf Babylon gibt,
ist dieser abgehalfterte Giant-Raumer, der über uns im Orbit schwebt",
ergänzte Denninger. "Und dessen Besatzung wird uns sicher nicht den
Gefallen tun, mal eben eine kleine Transition zur Erde durchzuführen, um
einen Kaffeeautomaten umzutauschen!"
Gorris lachte heiser.
Allerdings war ihnen allen klar, daß dieser Witz einen ernsten Hintergrund
hatte.
Babylon war mehr oder weniger schutzlos.
Und in den Weiten der Galaxis kämpften die Angehörigen der Terranischen
Flotte gegen einen furchtbaren Feind, der alles intelligente Leben unerbittlich
verfolgte: Die Grakos, insektoide Invasoren, über die man bislang kaum
etwas wußte und die nicht nur deshalb als "Schatten" bezeichnet
wurden.
Es war entschieden worden, die Abwehrkräfte anderswo zu konzentrieren.
Weit ab von Babylon.
Das sollte sich als schwerwiegender Fehler herausstellen...
Gorris wandte sich an Denninger.
"Ich habe gehört, du hättest etwas neues über die Gesteinsschicht
herausgefunden..."
Denninger zuckte die Achseln.
"Hat John das gesagt? Na ja, es ist vielleicht etwas zu optimistisch formuliert.
Aber ich habe mir ein paar Gedanken gemacht."
"Und die wären?"
"Ich bin mir nicht sicher, ob diese Gesteinsschicht überhaupt natürlichen
Ursprungs ist. Sie liegt unter der gesamten Anlage wie eine Art..."
Denninger machte eine etwas hektisch wirkende Geste mit der linken Hand. Er
schien nach dem passenden Begriff zu suchen.
"Fundament?" versuchte Gorris zu helfen.
Denninger schüttelte den Kopf.
"Nein. Eher eine Art Schutzschicht. Eine Abschirmung."
"Für unterirdische Sektoren, deren Existenz wir bislang nur vermuten?"
"Entweder das, oder dort unten ist etwas anderes, das unbedingt abgeschirmt
werden muß. Das wäre ja auch möglich. Des weiteren scheinen mir
die Eigenschaften dieser Gesteinsschicht jener eines Intervallfeldes zu ähneln.
Genaueres kann ich dazu noch nicht sagen, weil ich mit der chemischen Analyse
nicht weiterkomme. Unsere Prüfsysteme können mit einigen chemischen
Modifikationen, die dort zu finden sind, nichts anfangen."
"Wahrscheinlich kommen wir weiter, wenn wir endlich den Eingang zu den unterirdischen
Sektoren finden", vermutete Gorris.
Denninger verzog das Gesicht. "Ich denke, ich habe eine Stelle gefunden,
an der es abwärts gehen könnte."
Gorris hob die Augenbrauen.
"So?"
"Eine Komplettabtastung der gesamten Anlage hat ergeben, daß es mehrere
Lücken in der Gesteinsschicht gibt. Gerade groß genug, um einen Antigravschacht
in die Tiefe führen zu können. Einer dieser Zugänge müßte
sich hier in der Mitte der Zentrale befinden."
Gorris runzelte die Stirn.
"Man sieht nichts", meinte er. "Keinen Eingang, nichts."
"Wahrscheinlich ist der Zugang so geschickt in den Fußboden eingelassen,
daß nichts zu sehen ist. Es sei denn, man löst irgendeinen Mechanismus
aus, der den Zugang aktiviert!"
"Leider haben wir keine Energiequelle, die groß genug wäre, um
die Anlage komplett wieder in Betrieb nehmen zu können", bedauerte
John Telmon.
"Wie ist es mit dem Energiespeicher des Schwebers?" fragte Denninger.
Gorris zuckte die Achseln.
"Wenn wir den benutzen, müßten wir zu Fuß nach Hause, falls
wir hier plötzlich die Nase voll hätten..."
"Wollen wir diesem verdammten Rätsel jetzt auf die Spur kommen oder
nicht?"
Telmon machte eine wegwerfende Handbewegung. "Setzen wir darauf, daß es
in der planetaren Regierung nette Leute gibt, die uns notfalls mit ihren schmalen
Transportkapazitäten abholen würden!"
"Du beurteilst die Leute in Verwaltung und Politik meines Erachtens entschieden
zu optimistisch!" erwiderte Gorris. "Aber meinetwegen. Versuchen wir
es..."
*
Millionen Kilometer entfernt tauchte das große Raumschiff
der Grakos auf. Kaum hatten die Ortungsstationen der babylonischen Siedler
es wahrgenommen, herrschte bereits das blanke Chaos auf der Kolonie.
Militär und Verwaltung rotierten, das einzige im Orbit schwebende
Raumschiff zerplatzte unter dem Beschuß der Invasoren.
Kampfgleiter der Insektoiden drangen in die Atmosphäre Babylons vor und überzogen
strategisch wichtige Punkte mit ihrem Feuer.
Ihren überlegenen Waffen hatten die Terraner kaum etwas entgegenzusetzen.
Und kampfkräftige Einheiten der Terranischen Flotte befanden sich viele
Lichtjahre entfernt im Einsatz...
Auf Hilfe war nicht zu hoffen.
Plündernden Heuschrecken- oder Termitenschwärmen gleich zogen die
Kampfgleiter der Grakos über die Oberfläche Babylons.
Der Widerstand der Kolonisten war schwach und verzweifelt.
Es sah ganz danach aus, als ob er bereits zerschlagen würde, noch ehe
er sich richtig formiert hatte...
Es war John Telmon, der als erster der drei Terraner in der Sechseck-Anlage
auf die neuen Entwicklungen aufmerksam wurde. Er hörte die Meldungen ab
und verständigte Denninger und Gorris.
"Die Appelle unserer Regierung klingen ziemlich verzweifelt", meinte
Gorris.
"Fragt sich, was wir jetzt tun sollen", stellte Denninger fest.
"Uns bei einer der Sammelstellen melden? Wir befinden uns ziemlich weit
ab von den von Menschen besiedelten Gebieten Babylons... und soweit ich weiß,
ist keiner von uns Angehöriger der Streitkräfte, so daß er sich
bei seiner Einheit melden müßte!"
Telmon mißfiel der schneidende Unterton in Gorris’ Tonfall.
"Was schlägst du vor, Ty?"
"Wir machen weiter wie geplant."
"Das ist nicht dein Ernst!"
"Natürlich ist es das! Wir können von hier aus überhaupt
nichts tun. Nicht das geringste."
"Das Schlimme ist, daß ich dir recht geben muß", mußte
Telmon zugeben. Die Dreimannexpedition verfügte gerade einmal über
einen leichten Handblaster für jeden von ihnen. Eine Bewaffnung, mit der
man sich keineswegs gegen die durch Schutzschirme geschützten Kampfgleiter
der Grakos verteidigen konnte.
Gorris wandte sich an Denninger. "Siehst du das anders?"
Denninger schüttelte nachdenklich den Kopf.
"Nein."
"Wenn wir mit unserem Schweber in die Luft gingen, wären wir nur ein
willkommenes Ziel der Grakos."
"Ich weiß."
"Also sehen wir einfach zu, daß wir hier weiter vorankommen."
Denninger schwieg einige Augenblicke lang. Mit einer fahrigen Geste fuhr er
sich über das schüttere Haupthaar, das immer etwas elektrostatisch
aufgeladen wirkte. Denninger strich es zurück.
"Hast du dir auch schon mal Gedanken darüber gemacht, was geschieht,
wenn es den Grakos gelingt, Babylon zu erobern?" fragte Denninger dann.
Sein Blick wirkte düster.
"Daran wage ich gar nicht zu denken!", murmelte Gorris.
Denninger schluckte. "Mein Sohn ist Jettpilot", murmelte Denninger. "Ich
wüßte gerne, wie es ihm geht..."
"Jeglicher Kontaktversuch dürfte im Moment sinnlos sein!" gab
Gorris zu bedenken.
"Ich weiß." Denningers Gesicht wurde zu einer starren Maske.
John Telmon musterte erst Denninger und dann Gorris.
Ty ist ein absolut kalter Fisch! ging es ihm dabei durch den Kopf.
Er war sich nicht sicher, ob er so viel Kaltblütigkeit nun bewundern oder
fürchten sollte.
"Also her mit den Energiezellen des Schwebers!" brach Denninger schließlich
das unangenehme Schweigen.
*
Weiter mit Teil 2
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