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thema Himmlische Körper
Der zehnte Planet
von Hajo F. Breuer
Nun hat das Sonnensystem also seinen zehnten Planeten. Er hört
(noch) auf den prosaischen Namen 2003 UB313 und wurde schon vor zwei
Jahren entdeckt. Inzwischen hat man einiges über den Himmelskörper
herausgefunden. Sein Durchmesser ist mit etwa 3450 Kilometer rund doppelt
so groß wie der des Mondes und gut 50 Prozent größer
als der des Pluto, der bisher als äußerster Planet unseres
Sonnensystems galt. Wie der Pluto besteht 2003 UB313 vermutlich überwiegend
aus Gesteinsbrocken und zu Eis gefrorenem Wasser und Methan.
Doch unter den Experten ist ein Streit ausgebrochen, ob es sich bei 2003 UB313 überhaupt
um einen Planeten handelt. Seine Umlaufbahn ist am sonnennächsten Punkt
immer noch rund 40 Astronomische Einheiten (AE) vom Zentralgestirn entfernt
und am sonnenfernsten rund 100. Dazu sollte man wissen, daß eine AE die
mittlere Entfernung Erde – Sonne angibt, also rund 150 Millionen Kilometer
oder mehr als acht Lichtminuten (8 Minuten und 20 Sekunden, um genau zu sein).
Damit ist 2003 UB313 bis zu 15 Milliarden Kilometer weit draußen im All.
Das Licht der Sonne braucht rund 14 Stunden, um ihn dort zu erreichen.
2003 UB313 gehört zum Kuipergürtel, aus dem die kurzperiodischen
Kometen stammen, die alle 200 Jahre oder häufiger am Nachthimmel auftauchen.
Er ist definitiv ein transneptunischer Himmelskörper, bei dem sich die
Wissenschaftler streiten, ob er noch als Planet gelten kann oder nicht. (Auch
die Einstufung des Pluto als Planet gilt in wissenschaftlichen Kreisen nicht
als unumstritten.)
Verblüffend an der Entdeckung dieses Himmelskörpers ist seine schiere
Größe. Die meisten Kometen, die aus dem Kuipergürtel zu einem
Besuch ins Sonnensystem abtauchen, durchmessen nur ein paar Kilometer oder
noch weniger. Nehmen wir einmal den von der Raumsonde »Giotto« erforschten
Halleyschen Kometen: Er ist 15 Kilometer lang und an der dünnsten Stelle
sechs Kilometer dick. Kommt er in Sonnennähe – also auf weniger
als eine AE – erhitzt er sich auf etwa 70 °C und verliert pro Sekunde
dreißig bis vierzig Tonnen Masse: Die gefrorenen Gase verdampfen und
bilden den bekannten Kometenschweif.
Dieser beträchtliche Masseverlust sorgt dafür, daß Kometen
sich nach mehrmaliger Annäherung an die Sonne auflösen. Reste von
Kometen können wir manchmal als Sternschnuppen beobachten. Daß wir
trotz des Alters unseres Sonnensystems heute noch Kometen sehen können,
bedeutet, daß immer wieder einmal neue Objekte aus dem Kuipergürtel
(und der weiter draußen liegenden Oortschen Wolke) herausgerissen werden
und ins Innere des Sonnensystems stürzen. Es ist noch so gut wie nichts
bekannt über die vielen Objekte, die so unendlich weit draußen in
fast völliger Dunkelheit kreisen – auch nicht über die Physik
ihrer Bahnen.
Aber manchmal kollidieren solche Objekte eben oder beeinflussen sich durch
ihre Schwerkraft so sehr, daß einige von ihnen sozusagen »abstürzen« und
zu Kometen werden. Und der Zusammenprall eines solchen Himmelskörpers
mit der Erde kann nie völlig ausgeschlossen werden, wie etwa der große
Einschlag vor der Halbinsel Yucatán vor rund 65 Millionen Jahren zeigt.
Damals wäre das Leben auf der Erde beinahe erloschen. Und der Brocken,
der damals niederging, hatte »nur« rund zehn Kilometer Durchmesser.
Ist die Umlaufbahn von 2003 UB313 stabil genug? Noch wissen wir es nicht. Auf
jeden Fall ist sie mit 40 bis 100 AE stark exzentrisch. Und wer wollte ausschließen,
daß gravitative Störungen weit draußen im Kuipergürtel
oder der Einfluß der großen äußeren Planeten diese Bahn
nicht unmerklich verändern, bis sie eines Tages ins innere Sonnensystem
zielt?
Wir wären doch heute schon überfordert, wenn ein Brocken von der
Größe des Halleyschen Kometen auf Kollisionskurs mit der Erde ginge.
Gegen einen aus der Bahn geworfenen Giganten wie 2003 UB313 wären wir
absolut machtlos. Da hülfe nur eines: eilige Flucht. Und damit wären
wir wieder bei meinem Lieblingsthema. Denn wenn unsere Erde vernichtet würde,
bliebe uns nur die Flucht in den Weltraum. Leider haben wir keine gigantischen
Ikosaederraumschiffe und Transmitterstraßen wie die Zukunftswelt des Ren
Dhark. Und deswegen sollten wir endlich anfangen, wesentlich größere
Summen als bisher in die Weltraumfahrt zu investieren, anstatt das Leben von
Astronauten in schrottreifen Oldtimern aufs Spiel zu setzen, die gerade mal
knapp über die irdische Lufthülle hinauskommen.
Irgendwann ist die Erde kein bewohnbarer Planet mehr. Wir gingen bisher davon
aus, daß das erst in sehr ferner Zukunft der Fall sein würde. Doch
wie die Entdeckung von 2003 UB313 zeigt, sind wir niemals sicher vor Überraschungen – vor
bösen schon gar nicht!
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