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Sucht nach fremden Welten
Interview mit Hubert Haensel
Erster Teil – Zweiter Teil
Anmerkungen des Redakteurs:
Das nachfolgende Interview wurde anno 1998 von Harald Junker und Gerd Rottenecker
geführt. Seinerzeit schrieb Hubert Haensel den dritten Ren Dhark-Sonderband Wächter
der Mysterious. Danach widmete er sich anderen schriftstellerischen Aufgaben - und
natürlich seinem Hauptberuf als Bankkaufmann. Doch die Zeit bleibt nicht
stehen, für niemanden von uns. Insbesondere als Autor ist man einem ständigen
Auf und Ab ausgesetzt. Aktuelle Bücher erscheinen, laufende Serien werden
eingestellt, neue Ideen bringen frischen Wind in die Roman-Szene... Nicht nur
im beruflichen, auch im persönlichen Bereich werden fortwährend neue
Prioritäten gesetzt. Es bewegt sich was, und das ist gut so, denn Bewegung
bedeutet Leben (stilliegen werden wir noch früh genug).
Zitat Hajo F. Breuer: "Manchmal wird mir die Sache direkt ein wenig unheimlich.
Als ich im Sommer des Jahres 1999 mit der Herausgabe von Ren Dhark betraut
wurde, war die Neufortschreibung der Serie noch nicht einmal konzipiert. Und
da ich durch langjährige Berufserfahrung dazu neige, neue Projekte durch
die pessimistische Brille zu betrachten, hätte ich damals keine Wette darauf
abgeschlossen, daß ich mehr als vier Jahre später noch immer an dieser
Serie arbeiten würde. Aber es ist noch viel besser gekommen, als ich es
mir in meinen optimistischsten Träumen vorgestellt hätte: Ren Dhark wächst
und gedeiht. Alle zwei Monate erscheint ein reguläres Buch, hinzu kommen
vier Sonderbände und sechs Ausgaben der neuen Reihe Forschungsraumer
Charr." - Nachzulesen im Vorwort zum Drakhon-Band 22. Mittlerweile erschien
Band 24, und mit dem Nachfolgezyklus (Bitwar-Zyklus) wurde längst begonnen.
Für uns Dhark-Macher ist die Zeit also nicht stehengeblieben - und
für Hubert Haensel schon gar nicht. Auch er hat in den vergangenen Jahren
viel Neues, Aufregendes erlebt und die Zahl seiner Veröffentlichungen gesteigert.
Bereits in Drakhon-Band 19 begrüßte Hajo ihn wieder im "kleinen, aber
feinen Kreis der Ren Dhark-Autoren", den Hubert hoffentlich nicht
so bald verlassen wird.
Hubert Haensel betätigt sich damals wie heute erfolgreich als Schriftsteller - inzwischen
sogar hauptberuflich (!) - und "versorgt" seine Fans regelmäßig mit
spannenden Abenteuern. Insofern hat das folgende, zweiteilige Interview so gut
wie nichts an Aktualität verloren. Ich habe daher, trotz der verstrichenen
Zeit, kein Wort und keine Zahl daran verändert. Viel Spaß beim Lesen!
Uwe Helmut Grave
Sie schreiben recht viel - und das alles nebenberuflich. Es sieht fast
so aus, als ob Sie sich ein Leben ohne Schreiben nicht vorstellen können.
Und wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Eine gute Frage, denn genau das frage ich mich auch hin und wieder, aber leider
gar nicht so einfach zu beantworten. Mein erster Vertrag, für den Terra
Astra-Roman Das Geisterschiff, trägt das Datum März 1978,
und seither habe ich insgesamt 171 Heftromane und Taschenbücher in verschiedenen
Genres geschrieben, die eine oder andere Kurzgeschichte nicht mitgezählt.
Natürlich kostet das Zeit, und der Vorteil, den Erfahrung und Routine mit
sich bringen, wird heute von ausführlicheren Recherchen wieder aufgezehrt.
Für mich war Schreiben anfangs ein Hobby, später Frust- und Streßausgleich,
denn will man wirklich etwas Brauchbares zu Papier bringen, muß man abschalten
können, dann dürfen nicht die Tagesprobleme im Hinterkopf herumspuken,
und inzwischen ist es wirklich so, daß ich beinahe süchtig danach
bin, mich in andere, fremde, teilweise sehr weit entfernte Welten zu versetzen.
Ich könnte mir vielleicht vorstellen, weniger zu schreiben - tue das aber
nicht, eher im Gegenteil -, aber gewiß könnte ich nicht aufhören.
Nach über zwanzig Jahren würde mir ein Stück Lebensinhalt verlorengehen.
Hauptberuflich bin ich Bankkaufmann, tätig im Immobiliengeschäft und
inzwischen auch wieder in der Kundenberatung. Daß gerade dieser Beruf keinen
pünktlichen Feierabend hat, kann sich wohl jeder vorstellen. Und wie ich
das unter einen Hut bringe? Mit Disziplin (na ja, geht so), Verzicht auf manches
und einer Familie, die zum Glück mitspielt. Immerhin wissen Frau und Töchter,
wo sie mich fast immer finden können.
Ich bin meiner Frau dankbar, daß sie mich nach Kräften unterstützt.
Das war vor zwanzig Jahren schon so, als ich in der Küche die Manuskriptseiten
noch in meine mechanische Schreibmaschine hineinhämmerte und Gudrun die
handschriftlich korrigierten Texte an der elektrischen Schreibmaschine und im
Wohnzimmer in eine sauberere Form brachte. Heute wäre das mit Haus und Garten
und großen Kindern nicht mehr möglich, aber zum Glück gibt es
inzwischen Computer, die eine nochmalige Reinschrift der Manuskripte überflüssig
machen. Obwohl Gudrun selbst ganztags berufstätig ist, nimmt sie mir alle
Gartenarbeit und was sonst noch anfällt ab.
Die Abende und Wochenenden sind weitgehend angefüllt mit dem Lesen von Exposés,
Manuskripten und anderen Romanen, mit Recherchen und natürlich dem Schreiben
an sich. Man wird mich ebensowenig im Wirtshaus finden wie den ganzen Abend über
vor dem Fernseher, auch sind Wochenendausflüge selten, und das ist es, was
ich mit Verzicht meinte.
Dafür freut es mich, daß meine Tochter Manuela inzwischen Deutsch
als Leistungskurs gewählt hat. Vielleicht gibt es ja doch gewisse Gene,
die dafür verantwortlich sind.
Kommen Sie in Ihrer Freizeit eigentlich zum Lesen, und wenn ja, was lesen
Sie gerne?
Wie schon gesagt, wenn ich für eine Serie wie Perry Rhodan schreibe,
muß ich Exposés lesen und andere Manuskripte. Dennoch befasse ich
mich hin und wieder mit anderen Büchern, lese einfach mal zwei, drei Kapitel,
wenn ich mit dem Schreiben nicht recht weiterkomme oder mich, wie man so schön
sagt, festgeschrieben habe.
Aktuell lese ich den Science-Thriller Jesus Video von Andreas Eschbach,
zuvor waren es einige Romane von Jon Land, den ich für einen ausgezeichneten
Katastrophen- und Action-Spezialisten halte. Irgendwann blättere ich auch
mal wieder in einem alten Karl May-Band, die übrigens komplett in meinen
Regalen stehen.
Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb
des KELTER-Verlags einen der vorderen Preise gewonnen, und Ihre Geschichte wurde
auf der Leserseite eines Gemini-Heftes publiziert. Ging es danach gleich
mit Terra Astra weiter?
Die Story Mentalität, im Grunde eine Aufforderung zu mehr Toleranz,
erschien in Gemini 47 und erhielt den zweiten Preis. Unmittelbar nach
diesem Band wurde übrigens die Neuauflage von Ren Dhark gestartet.
Gleichzeitig mit der Kurzgeschichte hatte ich schon an einem längeren SF-Roman
gearbeitet, das Manuskript aber nicht untergebracht. Der Preis war für mich
die Aufmunterung weiterzumachen, danach kam wirklich ziemlich bald die Veröffentlichung
in Terra Astra. Zwei Romane später wurde mir von Günter M.
Schelwokat angeboten, für Atlan zu schreiben.
Sie sind dann mit Band 425 in die Atlan-Serie eingestiegen und mußten
erstmals nach einem fremden Exposé schreiben. War das eine große
Umstellung? Wie ist es für einen Autor, nach Exposé zu schreiben?
Ich kann nicht sagen, daß es eine Umstellung war, vielleicht auch nur,
weil sich die Zahl meiner eigenständigen Romane bis dahin sehr in Grenzen
hielt. Es ist schon anders, nach Exposé zu schreiben, man wird einfach
in ein Korsett hineingezwängt, das enger sitzt, und kaum jemand fragt, wo
es nach dem Zuschnüren zwickt. Du bist also gezwungen, die Ideen des Exposéautors
zu deinen eigenen zu machen, was bestimmt nicht jedermanns Sache ist.
In den Anfangsjahren hatte ich bei dem einen oder anderen Exposé wirklich
Schwierigkeiten - heute sehe ich das nicht mehr so sklavisch eng. Ich schreibe
gerne nach Exposé. Und falls mir eines mal wirklich nicht zusagt: Wer
hindert mich daran, die Handlung mit eigenen Ideen aufzufüllen und das Exposé auf
zehn Seiten abzuhandeln? Wichtiger ist doch, keine Verstöße gegen
die Handlung oder die Charakterisierung der Personen zu provozieren.
Später sind Sie ins Mythor-Team eingestiegen, dann kamen die Seewölfe,
und mit den Abenteurern haben Sie Ihre eigene Serie konzipiert. Durch
Ihre Mitarbeit an Perry Rhodan und Ren Dhark sind Sie wieder zur
Science-fiction zurückgekehrt. Sie haben also in vielen Genres geschrieben.
Haben Sie eigentlich ein Lieblingsgenre oder ist das Schreiben an sich Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Letzteres trifft wohl zu. Andererseits habe ich mit SF und Fantasy begonnen und
werden diesen Genres die Treue halten. Die Ausflüge in andere Bereiche -
Sie haben Dämonenkiller und Die Katze vergessen - waren
für mich wertvolle Erfahrungen; ich versuche, vielseitig zu sein und Rüstzeug
in vielen Bereichen zu sammeln - wer weiß, wofür das eines Tages gut
sein kann. Bei den Seewölfen z.B. war es erforderlich, mich in umfangreiche
Fachliteratur einzulesen - immerhin hatte ich bis dahin vom Segeln keine Ahnung,
bin aber immer gerne ans Meer gefahren. Und in Die Abenteurer ist mein
Faible für Archäologie eingeflossen.
An und für sich reizt mich alles Abenteuerliche.
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